Grundlagen

Autopoiesis, operationelle Geschlossenheit und strukturelle Koppelung

Autopoiesis

Der Begriff Autopoiesis beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich selbst zu erzeugen und zu erhalten. Maturana und Varela entwickelten dieses Konzept, um lebende Systeme zu erklären. Ein Einzeller ist ein autopoietisches System, da er durch interne Prozesse kontinuierlich seine eigenen Komponenten produziert und so seine Struktur und Funktion bewahrt. Jede Zelle erneuert ihre Bestandteile durch Stoffwechselprozesse, die in ihrer Membran eingeschlossen sind.

Operationelle Geschlossenheit

Operationelle Geschlossenheit bedeutet, dass ein System ausschließlich durch seine eigenen Prozesse und Strukturen operiert. Ein Einzeller nimmt keine fertigen Elemente von außen auf, sondern verarbeitet externe Stoffe und Informationen intern. Alles, was die Zelle tut, basiert auf internen Mechanismen, die durch die Struktur der Zelle selbst bestimmt sind. Dies bedeutet nicht Isolation, sondern eine spezifische Art der Interaktion mit der Umwelt.

Strukturelle Koppelung

Strukturelle Koppelung beschreibt, wie autopoietische Systeme trotz ihrer operativen Geschlossenheit mit ihrer Umwelt interagieren. Ein Einzeller ist zwar operationell geschlossen, aber er ist strukturell mit seiner Umwelt gekoppelt. Das bedeutet, dass externe Einflüsse Veränderungen in der Struktur der Zelle hervorrufen können, die jedoch immer intern verarbeitet werden. Beispielsweise kann eine Änderung der Nährstoffkonzentration in der Umgebung die metabolischen Prozesse der Zelle beeinflussen, aber diese Reaktionen werden durch die interne Struktur der Zelle bestimmt.

System und Umwelt: Wechselwirkungen und Beobachtungsstandpunkte

Die Beziehung zwischen System und Umwelt ist dynamisch und wechselseitig. Jedes System - sei es ein Organismus, eine Organisation oder ein Mensch - ist sowohl beeinflusst von seiner Umwelt als auch selbst ein Einfluss auf diese Umwelt. Die Umwelt eines Systems wird durch dessen Beobachtungsstandpunkt definiert und verändert sich je nach Perspektive.

Organisation und Umwelt

Organisationen interagieren ständig mit ihrer Umwelt, die aus Marktbedingungen, gesetzlichen Regelungen, kulturellen Normen und vielem mehr besteht. Sie müssen sich an diese äußeren Einflüsse anpassen, um überleben zu können, während sie gleichzeitig durch ihre Produkte, Dienstleistungen und internen Prozesse die Umwelt beeinflussen. Die Perspektive der Organisation bestimmt, was als relevante Umwelt wahrgenommen wird und wie darauf reagiert wird.

Mensch und Umwelt

Für den Menschen ist die Umwelt ein komplexes Geflecht aus sozialen, kulturellen und physischen Einflüssen. Jeder Mensch konstruiert seine Umwelt durch Wahrnehmung und Interpretation, beeinflusst diese jedoch auch durch Interaktionen und Handlungen. Ein Beobachterstandpunkt bestimmt, was als Umwelt betrachtet wird - das soziale Umfeld, die physische Umgebung oder die kulturelle Kontext.

Mitarbeiter und Organisation - Strukturelle Koppelung

Mitarbeiter sind nicht direkt Teil der Organisation, sondern strukturell mit ihr gekoppelt. Diese Koppelung kann unterschiedlich eng oder lose sein. Mitarbeiter und Organisation agieren als Umwelten füreinander. Die Organisation beeinflusst die Mitarbeiter durch Richtlinien, Kultur und Aufgaben, während die Mitarbeiter durch ihre Handlungen, Beobachtungen und Rückmeldungen die Organisation beeinflussen.

Beobachtung und Kybernetik zweiter Ordnung

Beobachtung ist ein zentrales Element in Organisationen. Da eine Organisation selbst nicht beobachten kann, delegiert sie diese Aufgabe an ihre Mitarbeiter. Mitarbeiter beobachten externe und interne Umwelten und kommunizieren ihre Beobachtungen an die Organisation. Diese Beobachtungen sind jedoch durch die Perspektive und Wahrnehmung der Mitarbeiter gefiltert. Heinz von Foerster betont in der Kybernetik zweiter Ordnung, dass jede Beobachtung eine Beobachtung eines Beobachters ist. Das bedeutet, dass die Beobachtung stets subjektiv ist und durch die Struktur des Beobachters beeinflusst wird.

Menschen als Teilsysteme - Psychisch, Somatisch, Sozial

Menschen bestehen aus drei Teilsystemen: dem psychischen, dem somatischen und dem sozialen System. Jedes dieser Systeme ist operational geschlossen und strukturell mit den anderen gekoppelt. Das psychische System umfasst Gedanken und Emotionen, das somatische System umfasst den Körper und seine physischen Prozesse, und das soziale System umfasst die Interaktionen und Beziehungen zu anderen Menschen. Wenn Mitarbeiter ihre Beobachtungen in die Organisation kommunizieren, müssen alle drei Teilsysteme berücksichtigt werden, da sie die Wahrnehmung und Interpretation beeinflussen.

Interne Struktur von Organisationen - Entscheidbare und Unentscheidbare Prämissen

Die interne Struktur von Organisationen wird durch entscheidbare und unentscheidbare Entscheidungsprämissen geprägt. Entscheidbare Prämissen sind klare Regeln und Richtlinien, die die Entscheidungsprozesse leiten. Unentscheidbare Prämissen hingegen sind grundlegende Annahmen, die nicht direkt entschieden werden können, wie kulturelle Normen und Werte. Diese Struktur umfasst Programme, Kommunikationswege, Hierarchien und die Organisationskultur. Diese Elemente beeinflussen, wie Informationen verarbeitet und Entscheidungen getroffen werden.

Fazit

Die systemische Theorie, die Autopoiesis, operationelle Geschlossenheit und strukturelle Koppelung umfasst, bietet ein umfassendes Modell zum Verständnis der dynamischen Wechselwirkungen zwischen Systemen und ihrer Umwelt. Mitarbeiter und Organisationen sind durch strukturelle Koppelung verbunden, Beobachtungen sind subjektiv und gefiltert, Menschen bestehen aus mehreren Teilsystemen, und die interne Struktur von Organisationen wird durch verschiedene Entscheidungsprämissen bestimmt. Diese Konzepte sind zentral für ein umfassendes Verständnis der systemischen Theorie und ihrer Anwendung in der Praxis, was zu effektiveren Management- und Kommunikationsstrategien führt. Durch die Fokussierung auf diese grundlegenden Prinzipien wird eine tiefere Einsicht in die Funktionsweise komplexer Systeme ermöglicht, was letztlich zu einer besseren Anpassung und erfolgreicherem Handeln in dynamischen Umfeldern führt.